Rechnungslegung in der Schweiz - Grössere Unternehmen

Die grundlegenden handelsrechtlichen Bestimmungen zur Rechnungslegung gelten für alle Unternehmen, unabhängig ihrer Rechtsform und Grösse.

Die Corporate Governance Anforderungen im Bereich Rechnungslegung und Informationsvermittlung zur wirtschaftlichen Lage sind bei grösseren Unternehmen wesentlich höher als bei typischen KMU-Unternehmen, wo die Eigentümer in der Regel im Leitungsorgan sind und die Geschäftsführung ebenfalls selber wahrnehmen.

Als grössere Unternehmen gelten gemäss Art. 727 OR Organisationen, die bestimmte Abgrenzungskriterien und Qualifikationen erfüllen.

A) Gesellschaften, die zwei der nachstehenden Grössen in zwei aufeinander folgenden Geschäftsjahren überschreiten:

  1. Bilanzsumme von 20 Millionen Franken
  2. Umsatzerlös von 40 Millionen Franken
  3. 250 Vollzeitstellen im Jahresdurchschnitt

B) Gesellschaften, die zur Erstellung einer Konzernrechnung verpflichtet sind.

C) Publikumsgesellschaften und Gesellschaften mit ausstehenden Anleihensobligationen.

 

Art. 961 OR

A. Zusätzliche Anforderungen an den Geschäftsbericht

 

Unternehmen, die von Gesetzes wegen zu einer ordentlichen Revision verpflichtet sind, müssen:

  1. zusätzliche Angaben im Anhang der Jahresrechnung machen;
  2. als Teil der Jahresrechnung eine Geldflussrechnung erstellen;
  3. einen Lagebericht verfassen.

 

Bemerkungen: Die zusätzlichen Inhalte werden in den Artikeln 961a bis 961d präzisiert.

 

Art. 961a OR

B. Zusätzliche Angaben im Anhang zur Jahresrechnung

 

Im Anhang der Jahresrechnung müssen zusätzlich Angaben gemacht werden:

  1. zu den langfristigen, verzinslichen Verbindlichkeiten, aufgeteilt nach Fälligkeit innerhalb von einem bis fünf Jahren und nach fünf Jahren;
  2. zum Honorar der Revisionsstelle je gesondert für Revisionsdienstleistungen und andere Dienstleistungen.

 

Bemerkungen: Mit einer nach Fälligkeiten gestaffelten Darstellung der Finanzverbindlichkeiten wird Auskunft über den zukünftigen Refinanzierungsbedarf im langfristigen Bereich erteilt.

 

Art. 961b OR

C. Geldflussrechnung

 

Die Geldflussrechnung stellt die Veränderung der flüssigen Mittel aus der Geschäftstätigkeit, der Investitionstätigkeit und der Finanzierungstätigkeit je gesondert dar.

 

Bemerkungen: Die detaillierte Ausgestaltung der Geldflussrechnung hat nach allgemein anerkannten Grundsätzen zu erfolgen. In der Praxis wird der Geldfluss meistens mit der indirekten Methode dargestellt. Ausgehend vom Periodenergebnis werden die fondsunwirksamen Aufwände und Erträge aufgelistet, was den Mittelfluss aus Geschäftstätigkeit (Cash-Flow) ergibt. Dazu werden die wichtigsten Geldflüsse im Investitions- und im Finanzierungsbereich dargestellt. Das Endergebnis entspricht der Veränderung der flüssigen Mittel (Liquiditätsfonds). Als Richtlinie für die detaillierte Ausgestaltung der Geldflussrechnung kann Swiss GAAP FER 4 herangezogen werden. Die Geldflussrechnung ist Teil der Rechnungslegung und unterliegt somit der Editionspflicht, insbesondere auch gegenüber Steuerbehörden.

 

Art. 961c OR

D. Lagebericht

1)

Der Lagebericht stellt den Geschäftsverlauf und die wirtschaftliche Lage des Unternehmens sowie gegebenenfalls des Konzerns am Ende des Geschäftsjahres unter Gesichtspunkten dar, die in der Jahresrechnung nicht zum Ausdruck kommen.

2)

Der Lagebericht muss namentlich Aufschluss geben über:

  1. die Anzahl Vollzeitstellen im Jahresdurchschnitt;
  2. die Durchführung einer Risikobeurteilung;
  3. die Bestellungs- und Auftragslage;
  4. die Forschungs- und Entwicklungstätigkeit;
  5. aussergewöhnliche Ereignisse;
  6. die Zukunftsaussichten.

3)

Der Lagebericht darf der Darstellung der wirtschaftlichen Lage in der Jahresrechnung nicht widersprechen.

 

Bemerkungen: Der Lagebericht ist eine schriftliche Darstellung des primär "finanzwirtschaftlich" relevanten Geschäftsverlaufs, der diesbezüglichen Risiken sowie Zukunftsaussichten. Es geht um Aspekte, die mit dem Zahlenwerk der Jahresrechnung nicht zum Ausdruck gebracht werden können. Der Lagebericht ist kein Strategiepapier sondern eine Ergänzung zur zahlenmässigen Rechenschaftsablage über die finanzielle Situation. Zur Beurteilung der wirtschaftlichen Lage eines Unternehmens ist eine rein vergangenheitsbezogene Analyse nicht ausreichend. Bei schlechter Ertragslage sind die Bestellungs- und Auftragslage unter Umständen entscheidend für die Sicherung der Fortführung. Risikobeurteilung und Zukunftsaussichten haben gegenseitige Abhängigkeiten. So hat ein bestimmtes Risiko in Zukunft bestimmte Investitionen zur Folge, welche auf eine bestimmte Art und Weise finanziert werden müssen. Der Lagebericht ersetzt ab 2013 den früheren Jahresbericht gemäss Art. 663d Abs. 1 ORalt, welcher über "den Geschäftsverlauf sowie die wirtschaftliche und finanzielle Lage der Gesellschaft" Auskunft gab. Bei Unternehmen unterhalb der Grössenkriterien von Art. 727 OR, ist die gesetzliche Pflicht zur Erstellung eine schriftlichen "Jahresberichts" im Sinne eines Lageberichts ab 2013 weggefallen. Der "Geschäftsbericht" nach Art. 958 Abs. 2 ist grundsätzlich ausreichend.

 

Art. 961d OR

E. Erleichterungen

1)

Auf die zusätzlichen Angaben im Anhang zur Jahresrechnung, die Geldflussrechnung und den Lagebericht kann verzichtet werden, wenn:

  1. das Unternehmen einen Abschluss oder eine Konzernrechnung nach einem anerkannten Standard zur Rechnungslegung erstellt; oder
  2. eine juristische Person, die das Unternehmen kontrolliert, eine Konzernrechnung nach einem anerkannten Standard zur Rechnungslegung erstellt.

2)

Es können einen Rechnungslegung nach den Vorschriften dieses Abschnitts verlangen:

  1. Gesellschafter, die mindestens 10 Prozent des Grundkapitals vertreten;
  2. 10 Prozent der Genossenschafter oder 20 Prozent der Vereinsmitglieder;
  3. jeder Gesellschafter oder jedes Mitglied, das einer persönlichen Haftung oder einer Nachschusspflicht unterliegt.

 

Bemerkungen: Mit der Aktienrechtsrevision 2023 wurde in Absatz 1, Punkt 1 auch das Vorliegen eines Einzelabschluss ("Abschluss") nach einem anerkannten Standard als Erleichterungsgrund für den Verzicht auf zusätzliche Angaben im Anhang, die Geldflussrechnung sowie den Lagebericht ermöglicht. Erstellt somit ein nach Art. 727 OR "grösseres Unternehmen" einen Abschluss nach einem anerkannten Standard, muss es die zusätzlichen Angaben nach Rechnungslegungsrecht nicht mehr machen (wie wenn es Teil einer Konzernrechnung nach anerkanntem Standard wäre). Minderheitsaktionäre / Gesellschafter oder andere berechtigte Personen mit beispielsweise direktem Eigeninteresse an einer Tochtergesellschaft in einer Konzernstruktur, können die gesetzlich verlangten Zusatzangaben für grössere Gesellschaften (bei der entsprechenden Tochtergesellschaft) ab einem bestimmten Quorum verlangen.

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