Der Anhang ermöglicht einen vertieften Einblick in die Jahresrechnung. Er erläutert, erklärt und dokumentiert wichtige Sachverhalte. Bei Beurteilung einer Jahresrechnung wird die Wichtigkeit des Anhangs häufig unterschätzt. In der KMU-Praxis sind Anhänge teils auch unvollständig. Dies gerade bei Unternehmen, die keine Revisionsstelle oder ausgewiesene Treuhandstelle haben. Der Anhang darf nicht zu Rechtfertigungszwecken für eine unvollständige Bilanzierung missbraucht werden. Wenn ein Sachverhalt einer Bilanzierungspflicht unterliegt, ist dieser immer zu bilanzieren.
Art. 959c OR |
C. Anhang |
1) |
Der Anhang der Jahresrechnung ergänzt und erläutert die anderen Bestandteile der Jahresrechnung. Er enthält:
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2) |
Der Anhang muss weiter folgende Angaben enthalten, sofern diese nicht bereits aus der Bilanz oder der Erfolgsrechnung ersichtlich sind:
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3) |
Einzelunternehmen und Personengesellschaften können auf die Erstellung des Anhangs verzichten, wenn sie nicht zur Rechnungslegung nach den Vorschriften für grössere Unternehmen verpflichtet sind. Werden in den Vorschriften zur Mindestgliederung von Bilanz und Erfolgsrechnung zusätzliche Angaben gefordert und wird auf die Erstellung eines Anhangs verzichtet, so sind diese Angaben direkt in der Bilanz oder in der Erfolgsrechnung auszuweisen. |
4) | Unternehmen, die Anleihensobligationen ausstehend haben, müssen Angaben zu deren Beträgen, Zinssätzen, Fälligkeiten und zu den weiteren Konditionen machen. |
Bemerkungen: Der Anhang besteht aus einem "allgemeinen Teil" mit Angaben über die angewandten Grundsätze der Rechnungslegung (falls diese nicht bereits explizit vom Gesetz vorgeschrieben sind) sowie Detailangaben (Aufschlüsselungen und nötigenfalls Erläuterungen) zu Positionen der Bilanz und Erfolgsrechnung soweit dies unter Beachtung der Grundsätze der Bilanzklarheit und Verständlichkeit - und für eine zuverlässige Urteilsbildung zur wirtschaftlichen Lage - als notwendig erscheint. Unter Punkt 2 sind beispielsweise auch Angaben zur Bewertung von Aktiven zu einem beobachtbaren Marktpreis zu machen (vgl. Art. 960b Abs.1 OR). Weiter muss der Gesamtbetrag der aufgelösten nicht bilanzierten Reserven "stillen Reserven" angegeben werden, wenn dadurch das Jahresendergebnis wesentlich besser ausgewiesen wird als es effektiv wäre. Im ersten Teil des Anhangs müssen zudem "weitere vom Gesetz verlangte Angaben" untergebracht werden. Es sind dies konkret: Abweichungen von der Annahme der Fortführung und deren Einfluss auf die wirtschaftliche Lage (Art. 958a Abs. 3 OR); Ausweis von "speziellen" Bilanzpositionen (Art. 959a Abs. 3 OR); allenfalls Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber Nahestehenden (Art. 959a Abs. 4 OR); Ausweis Personalaufwand sowie Abschreibungen und Wertberichtigungen im Falle einer Absatzerfolgsrechnung (Art. 959b Abs. 4 OR); allenfalls Ausweis von weiteren Positionen der Erfolgsrechnung (Art. 959b Abs. 5 OR). Weitere Zusatzinformationen, die nicht ausdrücklich vom Gesetz verlangt werden aber zur Einhaltung der Bilanzklarheit und Verständlichkeit offengelegt werden müssen (z.B. die Änderung oder Anpassung von Abschreibungssätzen), sind sinnvollerweise unter Punkt 2 des Absatzes 1 auszuweisen.
Die im zweiten Teil des Anhangs verlangten Informationen sind grösstenteils selbsterklärend. Besondere Aufmerksamkeit gilt den Angaben zu Eventualverbindlichkeiten (Abs. 2, Punkt 10). Vertragliche Geschäftsvereinbarungen, wie Gewährleistungs- oder Garantieklauseln, laufende Rechtsfälle, Sanierungszusagen (wie Patronatserklärungen), etc. und dazugehörige Risiken sind zu analysieren, um allfällige Sachverhalte offen zu legen. Weiter ist diesbezüglich die Abgrenzung zu den bilanzierungspflichtigen Verbindlichkeiten und Rückstellungen zu beachten.1) Beim Punkt "wesentliche Ereignisse nach dem Bilanzstichtag" ist über positive oder negative Ereignisse zu informieren, die zwischen dem Bilanzstichtag und der Genehmigung der Jahresrechnung - durch das zuständige Organ - eintreten. Solche Ereignisse treten erst nach dem Bilanzstichtag auf und haben in der Regel keinen direkten Vergangenheitsbezug zur Bilanz. Beispielsweise ein Elementarschaden nach Bilanzstichtag, der zu einem Mittelabfluss führen wird. Ereignisse, die einen Bezug zur Bilanz haben, z.B. Konkurs eines Debitors nach Bilanzstichtag, sind in der Bilanz wertmässig zu berücksichtigen. Das Vorliegen solcher Ereignisse und deren bilanzmässig richtige Behandlung ist sorgfältig zu prüfen. Eine Offenlegung darf nicht als Ersatz zur korrekten Bilanzierung erfolgen. Offengelegt positive Sachverhalte sind im Folgejahr weiterzuverfolgen und müssen auch zu einem positiven Ereignis führen (z.B. eine Bilanzsanierung).
Die Vorschriften bezüglich im Anhang offenlegungspflichtigen Informationen und Sachverhalten sind anspruchsvoll (auch wesentlich umfassender als in den bis 2012 geltenden Bestimmungen) und dürfen nicht einfach pro forma abgehandelt werden. Die mit der Rechnungslegung und Abschlusserstellung betrauten Personen müssen rechtzeitig Vorkehrungen zur entsprechenden Informationsbeschaffung treffend und nach Bedarf auch ausserbuchhalterische Kontrollen führen, wie z.B. eine "Schattenrechnung" zur Überwachung der Entwicklung der stillen Reserven. Einzelfirmen und Personengesellschaften müssen die Relevanz der Vorschriften mindestens im Zusammenhang mit Absatz 3 prüfen. Der Anhang ist gesetzlicher Teil der Jahresrechnung und muss, sobald er nach Bestimmungen des Wahlrechts gemäss Absatz 3 auch bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften erstellt wird, mit der Steuererklärung den Steuerbehörden eingereicht werden.
Grössere Unternehmen haben zusätzliche Offenlegungsvorschriften zu beachten.
1) Peter Böckli unterteilt die Abgrenzung in 4 Stufen: Kein Vermerk im Anhang; Vermerk im Anhang; Erfassung einer Rückstellung und Erfassung einer Schuld. Siehe dazu Peter Böckli in der Schweizer Treuhänder 11/2012, Seite 824.