Rechnungslegung in der Schweiz - Anerkannter, alternativer Standard

Ein Rechnungslegungsstandard besteht aus Regeln betreffend Ausweis, Gliederung, Bewertung und zusätzlichen Angaben zur finanziellen Berichterstattung des Unternehmens. Ziel des Regelwerks ist dem Bilanzleser ein möglichst genaues Bild über die finanzielle Situation des Unternehmens zu liefern, um damit auch die Zahlen verschiedener Unternehmen miteinander vergleichbar zu machen.

Das handelsrechtliche Regelwerk ist traditionsgemäss eher auf den Gläubigerschutz ausgerichtet. Die internationalen Standards hingegen  sollen möglichst "wahre" und "faire" Werte (True and fair view) zum Geschäftsstand und Geschäftsergebnis (Performance) liefern.

Für grössere schweizerische Unternehmen kommen als Alternative für die Rechnungslegung nach Handelsrecht folgende anerkannte Standards in Frage:

Gemäss Verordnung über die anerkannten Standards zur Rechnungslegung (VASR) ist zudem die Anwendung folgender Standards möglich:

  • IFRS - International Financial Reporting Standards
  • US-GAAP - United States Generally Accepted Accounting Principals
  • IPSAS - International Public Sector Accounting Standards

 

Art. 962 OR

A. Im Allgemeinen

1)

Es müssen zusätzlich zur Jahresrechnung nach diesem Titel einen Abschluss nach einem anerkannten Standard zur Rechnungslegung erstellen:

  1. Gesellschaften, deren Beteiligungspapiere an einer Börse kotiert sind, wenn die Börse dies verlangt;
  2. Genossenschaften mit mindestens 2'000 Genossenschaftern;
  3. Stiftungen, die von Gesetzes wegen zu einer ordentlichen Revision verpflichtet sind.

2)

Es können zudem einen Abschluss nach einem anerkannten Standard verlangen:

  1. Gesellschafter, die mindestens 20% des Grundkapitals vertreten;
  2. 10 Prozent der Genossenschafter oder 20% der Vereinsmitglieder;
  3. Gesellschafter oder Mitglieder, die einer persönlichen Haftung oder einer Nachschusspflicht unterliegen.
3) Die Pflicht zur Erstellung eines Abschlusses nach einem anerkannten Standard entfällt, wenn eine Konzernrechnung nach einem anerkannten Standard erstellt wird.
4) Das oberste Leitungs- oder Verwaltungsorgan ist für die Wahl des anerkannten Standards zuständig, sofern die Statuten, der Gesellschaftsvertrag oder die Stiftungsurkunde keine anderslautenden Vorgaben enthalten oder das oberste Organ den anerkannten Standard nicht festlegt.

 

Bemerkungen: Für kleinere Unternehmen mit aussenstehenden Beteiligten hat sich Swiss GAAP FER als Standard etabliert. Die Rechnungslegung und der Gewinnausweis werden klarer definiert, was das Vertrauen bei Minderheiten fördert.

 

Art. 962a OR

B. Anerkannte Standards zur Rechnungslegung

1)

Wird ein Abschluss nach einem anerkannten Standard zur Rechnungslegung erstellt, so muss dieser im Abschluss angegeben werden.

2) Der gewählte anerkannte Standard muss in seiner Gesamtheit und für den ganzen Abschluss übernommen werden.

3)

Die Einhaltung des anerkannten Standards muss durch einen zugelassenen Revisionsexperten geprüft werden. Es ist eine ordentliche Revision des Abschlusses durchzuführen.

4)

Der Abschluss nach einem anerkannten Standard muss dem obersten Organ anlässlich der Genehmigung der Jahresrechnung vorgelegt werden, bedarf aber keiner Genehmigung.

5) Der Bundesrat bezeichnet die anerkannten Standards. Er kann die Voraussetzungen festlegen, die für die Wahl eines Standards oder den Wechsel von einem Standard zum anderen erfüllt sein müssen.

 

Bemerkungen: Die Einhaltung des anerkannten Standards muss durch eine ordentliche Revision geprüft werden. Dies gilt gemäss Kurt Schülle nicht 1), wenn ein Unternehmen oder eine Organisation die Jahresrechnung auf freiwilliger Basis nach einem anerkannten Standard erstellt (also ausserhalb der Voraussetzungen von Art. 962 OR). So beispielsweise bei Non-Profit-Organisationen, die im gemeinnützigen Bereich tätig sind und die ZEWO-Bestimmungen Swiss GAAP FER 21 anzuwenden haben. Nur die Anwendung der Kern-FER 2) bedingt ebenfalls nicht eine ordentlichen Revision. Zu beachten ist, dass sobald eine ordentliche Revision durchgeführt wird, die Revisionsstelle das Vorhandensein eines "Internen Kontrollsystems" prüfen muss.

1) Vergl. Kurt Schülle in der SCHWEIZER TREUHÄNDER 1-2/2012, Seite 39 / anderer Meinung ist Peter Böckli, gemäss ihm muss ein Abschluss nach anerkanntem Standard stets ordentlich revidiert werden (vergl. der SCHWEIZER TREUHÄNDER 10/2012, Seite 697)

2) möglich falls Bilanzsumme nicht über CHF 10 Mio, Jahresumsatz nicht über 20 Mio und nicht mehr als 50 Vollzeitstellen (zwei der Kriterien dürfen in zwei aufeinanderfolgenden Jahren nicht überschritten werden)

 

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